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Nov
19

Im letzten Beitrag habe ich den Zustand des ehemaligen Industriegebietes „Zeche Georgschacht“ im Jahr 2010 beschrieben. Hier folgt nun eine Schilderung der Entwicklungen der letzten 8 Jahre und wie es vielleicht weitergehen wird.

Eine kurze Zusammenfassung der Abläufe vor 2010: Unmittelbar nach seiner Schließung 1960 erfolgten teilweise Abbrucharbeiten, danach blieb das Gelände jedoch viele Jahre sich selbst überlassen. Die Brachflächen, Halden und auch viele Gebäude wurden zunehmend von Pionierpflanzen eingenommen und interessante Biotope wie Trockenrasen und Geröllhalden entstanden. Entsprechend fanden sich auch seltene Tiere wie Geburtshelferkröte, Turteltaube, Baumfalke, Uhu und diverse Reptilien- und Insektenarten, wie aus einem (nicht-öffentlichen) Gutachten für eine Ausgleichsfläche zu Beginn der 2010er Jahre hervorging.


Uhu-Ästling auf dem alten Elektrizitätswerk, 2018. Das Gebäude mit dem alten Horst wurde 2012 gesprengt; die Eulen brüten heute in Nistkästen.

Im sehr ähnlichen, nahegelegenen Liekweger Steinbruch erkannte man das Potenzial solcher Flächen und richtete ein Naturschutzgebiet ein. Der Georgschacht hingegen blieb, wie er war. Die „Kohlenkirche“ wurde zu einem Geotop und Baudenkmal erklärt (sie verfällt bis heute ohne jede Gegenmaßnahme) und die Ahornallee entlang der Zeche zu einem geschützten Landschaftsbestandteil.


Geotop- und Denkmalstatus schützen leider nicht vor einer Verwendung als Müllhalde: Kohlenkirche im Januar 2017, im Hintergrund der Wasserturm

In den 2000er Jahren zeigten verschiedene Betriebe Interesse an Gewerbegrundstücken am Georgschacht. Sprengungen und Neubauten veränderten das Gelände östlich der Ahornallee, aber die Halde mit angrenzenden Baumbeständen und Wildwiesen blieb bis auf Anpflanzungsmaßnahmen größtenteils unverändert. Bis ein Asphaltmischwerk direkt neben der Halde 2014 in Betrieb ging.
Neben großräumigen Abholzungen wurde dem Unternehmen eine Nutzung der Halde zugestanden. Immer wieder geriet es in die lokalen Medien, weil es sich nicht an Vereinbarungen oder Grenzwerte hielt.


Das Asphaltmischwerk. Links der Gleise beginnt wenige Meter weiter die Halde.

Besonders brisant war direkt im Jahr 2014, dass das Werk – entgegen der Vereinbarungen – 12.000 Tonnen „belastetes Bodenmaterial“ auf die Halde brachte. Die Halde, die im Kern giftige Abfallstoffe der Herstellung von Kohle und Kohleprodukten enthält, sollte eigentlich weiterhin rekultiviert und damit das umliegende Grundwasser vor aussickernden Gefahrenstoffen geschützt werden. Tausende Tonnen giftiger Bodenaushub waren dieser Rekultivierung nicht unbedingt zuträglich. Direkt an die Halde grenzen auch landwirtschaftliche Flächen.
Nach einigen juristischen Auseinandersetzungen darüber hatte das Unternehmen 2016 die geniale Idee, den neuen Bodenaushub sowie noch tiefer liegende giftige Bodenschichten aus der Bergbau-Ära illegal zu einer Autobahn-Baustelle in der Nähe zu bringen und so loszuwerden. Das Verwaltungsgericht Hannover konnte das Vorgehen stoppen, aber eine Freilegung der giftigen Schlacken war bereits erfolgt.


Wassergraben, der die Halde umgrenzt. Dieses Bild bot sich im Januar 2017. Das Wasser ist durch Sulfite und andere Stoffe kontaminiert.

Das zu Beginn angesprochene Gutachten verpflichtete den Asphaltmischwerkbetreiber zur Anlage einer Ausgleichsfläche, die letztlich wirklich gut gestaltet war – ob sie den Tieren und Pflanzen wirklich ein Ersatz für das Biotop sein kann, was durch das Werk zerstört wurde, bleibt dahingestellt. Lärm- und Geruchsemissionen des Werks, der dadurch entstandenen Logistik inklusive des Straßenneubaus waren zumindest nach meinen eigenen Beobachtungen für das Baumfalkenpaar und die Turteltauben zu viel. Eine Bürgerinitiative hat diese und auch die toxischen Emissionen des Werkes im Blick, die seit Inbetriebnahme mitunter besorgniserregend sind – wie immer wieder in der Lokalzeitung berichtet wird.


Der frühere Eingang an der Ostseite des Haldengeländes. Schwere Steine und Warnhinweise sollen Spaziergänger von der Begehung abhalten.

Nach meiner eigenen Recherche gab es (außer im Rahmen des Gutachtens) zu keinem Zeitpunkt ein Eingreifen von Naturschutzverbänden, die die Flächen einschätzten, noch Kartierungen o.Ä. Scheinbar war das Gelände und sein Wert kaum bekannt. Nachweise dieses Wertes hätten Verwendung für einen Antrag auf Schutzwürdigkeit des Gebietes finden können. Auch ich selbst, bei Baubeginn des Werks 19 Jahre alt, hätte vielleicht einschreiten können, aber wusste zu der Zeit noch nicht, wie.


Der Georgschacht – eigentlich schon wieder Industriegebiet? Alte Werkstätten neu genutzt, links im Hintergrund der Turm der Kohlenkirche

Speziell dieses jüngere Kapitel des Georgschachtes regt zum Nachdenken an, wie wir mit unserer Geschichte und Umwelt umgehen sollten. War doch ein Bergbaumuseum in der „Kohlenkirche“ geplant, schon mehrfach die Restaurierung in Planung, aber dann doch zu unwichtig für so viel Geld. Enttäuscht sieht man ihrem Verfall zu, wissend, dass der Zeitpunkt einer möglichen Wiederherstellung eigentlich schon abgelaufen ist, verstrichen unter ewigen Diskussionen und Aufschiebungen. Die Kohlenkirche ist Sinnbild der gesamten Zeche: Die Entscheidung über den Umgang mit ihr wird von der Realität überholt. Vielleicht gibt es schon nichts schützenswertes mehr, wenn endlich darüber gesprochen wird.

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