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Jan
12

Beizjagd auf Amrum

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Es ist Ende November und der Wind fegt kalt und nass über die Dünen Amrums. In diesen Dünen, weit draußen nahe der Küste, spielt sich – aus der Ferne gesehen – Merkwürdiges ab. Ein paar vermummte Gestalten in mehrheitlich grün-brauner Kleidung stehen dort im Abstand einiger Meter herum. Ein oder zwei Hunde lassen sich ausmachen, die angeleint neben ihren Besitzern stehen. Und irgendwer scheint da auf dem Boden zu knien – ob er etwas sucht? Plötzlich flattert nahe einer der Personen etwas auf und das Klingeln hoher Glöckchen ist zu hören. Was in aller Welt geht da vor?

In der Gruppe weiß jeder genau, was hier passiert. Ein Kaninchen rennt los. Es ist aus dem Bau geflohen, in den durch einen anderen Eingang ein zahmes Frettchen geschickt wurde. Der Habicht auf der Faust des Falkners reagiert sofort und stößt sich vom Handschuh ab. Nach etwa zwanzig Metern hat er das Kaninchen eingeholt und ihm erst mit einem Fang in den Rücken gegriffen, ehe er den zweiten um den Kopf schließt. Habicht und Beute rollen noch ein Stück, dann kommen sie zum Stillstand. Die Augen des Vogels sind vor Erregung weit aufgerissen und der Schnabel leicht geöffnet.

All das spielt sich in wenigen Sekunden ab – vier oder fünf vielleicht. Der Habicht ist erst wenige Monate alt und dies seine erste eigene Beute. Zur Belohnung darf er sie selbst verspeisen und sich dazu alle Zeit lassen – geduldig steht die Gruppe in der Kälte fast eine Stunde um den Vogel herum, der rupft, frisst, rupft, frisst. Seine Aufregung ebbt ab und er wird immer ruhiger, bis ihn sein Falkner vorsichtig von den Resten der Mahlzeit aufhebt.

Wir sind zur Beizjagd nach Amrum gekommen. Wir, das sind einige Falkner mit ihren verschiedenen Vögeln – Habicht, Wanderfalke, Harris Hawk, Rotschwanzbussard – und einige Zuschauer und Interessierte, Falknerscheinanwärter und Jungfalkner ohne Vogel, und ich mit meinem Skizzenbuch. Drei Tage lang sollen auf dieser Insel Kaninchen, Fasane und Krähen gejagt werden.

Am zweiten Tag gehen wir auf Krähenjagd im Kern der Insel. An einem Bauernhof und den umliegenden Feldern sammeln sich große Schwärme, an die wir möglichst nahe heranfahren. Als erstes fliegt ein Harris Hawk, doch die Menge der schwarzen Vögel scheint ihn einzuschüchtern. Von einem Zaunpfahl aus will er die Lage sondieren. Es ist ein amerikanischer Greifvogel, sodass der Gegenangriff der Krähen (als „Hassen“ bezeichnet) gering ausfällt, da sie den Vogel nicht so recht als Feind zuordnen können.

Ein Wanderfalke, der als nächstes fliegt, hat mehr Glück. Schnell greift er sich eine Krähe aus dem aufsteigenden Schwarm und schlägt sie nieder. Als beide auf dem Boden ankommen, eilen einige unbeteiligte Krähen zu Hilfe. Der Falkner ist schon auf dem Weg, um den Wanderfalken zu beschützen, weil die Schnabelhiebe der Krähen ihn ernsthaft verletzen können.

Danach darf auch der Falke an seiner Beute rupfen und fressen. Früher war es üblich, den Vögeln nur eine Kleinigkeit zu geben und dann mit ihnen weiterzujagen, aber wegen des Mangels an Wild sind heute viele Falkner meist mit einem Flug zufrieden und überlassen dem Vogel die Beute als Belohnung.

Am dritten und letzten Tag geht es wieder in die Dünen. Der Rückgang der Kleintiere, im Jagdjargon Niederwild, ist auch auf Amrum zu spüren. Durch die Dünen spazierend sehen wir kein einziges Kaninchen, wo im letzten Jahr noch immer welche zu finden waren. Dafür liegen hier und da tote oder sterbende, die an Myxomatose oder RHD erkrankt sind. Für den Rotschwanzbussard, mit dem wir heute unterwegs sind, gibt es an diesem Tag nichts zu holen. Nachmittags zurück beim Auto erhält jeder seine Tagesbelohnung – Hühnchen für den Bussard und Schokolade für die federlosen Begleiter.

Alle Zeichnungen und Aqaurelle sind vor Ort im Skizzenbuch entstanden. Genutzt wurden u.A. Schmincke Horadam Aquarellfarben und Faber Castell Albrecht Dürer Aquarellstifte.

Fotos unten: A. Engelke

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