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Jun
16

Das diesjährige Birdrace stand erneut unter besonderen Bedingungen. Aufgrund der Pandemie konnten sich wie im letzten Jahr nur Kleinstgruppen oder virtuelle Teams, verteilt über ganz Deutschland, zusammenfinden – für die Artenzahl der einzelnen Teams eine glückliche Fügung, aber alleine macht das Birdrace auch eben nur halb so viel Freude. Nach einem einsamen Birding-Tag 2020 konnte ich dieses Jahr neben den virtuellen Teamkollegen (Josefine Bethke und Lars Burnus) mit Jonas Baudson als Team „Kieler Sprossigallen“ durch Plön und Kiel ziehen.

Damit alle Teams unter gleichen Bedingungen starten konnten, wurde das Vogelgucken offiziell auf 5-22 Uhr limitiert. Als die Kieler nach Auto-, Zug- und Bahnfahrt gegen 5.45 am Wellsee aufeinandertreffen, hat sich bereits ein Vorsprung von über 30 Arten aufgetan, die mir schon fehlen – alle bis auf Tannenmeise und Rohrschwirl sollte ich den Tag über aufholen können.


Pohnsdorfer Stauung bei Preetz.

Ungewohnt entspannt geht es diesmal per Auto durch Plön. An der Pohnsdorfer Stauung erwartet uns mein erster Lifer des Tages. Durch ein Konzert aus Rohrsängern, Kuckucken, Blaukehlchen und Enten dringt ein seltsamer Laut an Jonas Ohr. Das war doch nicht… oder doch? Ein Fall für die Klangattrappe („Es geht hier nur um den Gebietsnachweis, das hat nichts mit dem Birdrace zu tun!“), aber der misteriöse Birdo schweigt. Fast eine Viertelstunde später, es ist 06:45 Uhr, und schon völlig vergessen plötzlich wenige Meter neben uns: huITT, huITT, huITT… Ein Tüpfelsumpfhuhn! Kurz ist es sogar zu sehen, wie es unter einem Gebüsch durch eine Pfütze zuckelt und wie eine schwimmende Wachtel aussieht – die Bezeichnung „Huhn“ für viele Rallen kommt nicht von ungefähr.

Wunderbar lässt sich in diesem Gebiet noch eine Wasserralle auf Ansage hören. Von den Teamkollegen aus Oldenburg und dem Ammerland werden derweil Misteldrossel, Wachtel, Waldschnepfe und Schleiereule gemeldet.


Trauerschnäpper-Männchen im zweiten Kalenderjahr in der Pohnsdorfer Stauung. Foto: J. Baudson

Das nächste Ziel ist der Postsee, an dem wir auf einige weitere Teams treffen. Ein luxuriöser Spot, an dem sich die ersten Mauersegler sammeln, Zwergmöwen und Baumfalken über dem Wasser Insekten jagen und auch unsere Teamvögel, Sprosser und Nachtigall, nebeneinander singen. In jedem Busch ein Trauerschnäpper und nein, auch der fünfte hypothetische Turmfalke ist wieder ein Kuckuck. Morgens um halb zehn in Deutschland: Die 100 Arten sind geknackt! Leider singt dieses Mal keine Rohrdommel für uns. Weiter geht es über die Rastorfer Mühle an der Schwentine, ein wundervolles Fleckchen Erde mit schönstem Buchenmischwald, über noch ein paar kleinere Spots gen Küste.

Gegen 12 Uhr kommen wir in Schönberg an. Wie immer sind erwartete Arten nicht da, werden aber von unerwarteten entschädigt: Kein sicher geglaubtes Braunkehlchen und Rohrsänger taucht auf, doch vor der Küste kann endlich ein schon abgeschriebener Rothalstaucher (Lifer #2) notiert werden. Während der Mittags-Siesta zur Stärkung der Birder-Fähigkeiten überfliegen uns Zwergseeschwalben und Wiesenpieper. Am Anfang des Strandseen-Schutzgebietes erwartet uns wieder eine schöne Auf-Ansage-Situation: Die letzte Silbe von „Gibts hier eigentlich Bartmeisen?“ ist noch nicht gesprochen, da ruft es aus dem Schilf schon unverkennbar. Wie bei der Wasserralle bleibt es bei dem einen Laut, aber für die Liste reichts.


Zwergseeschwalben bei Beuteübergabe. Foto: J. Baudson

16 Uhr: 126 Arten stehen auf dem Tacho und allmählich wird es zäh. Auf dem Rückweg vom NSG erwartet uns auf dem Deich ein großer gemischter Stelzen-Schwarm. Nachdem wir neben Bachstelzen auch zwei Unterarten von Schafstelzen – flava und thunbergi – identifizieren können, sind zwei bis drei eigenartig dunkle Vögel dabei. Ahnungslos werfe ich feldegg in den Raum, Jonas wird ganz einsilbig: Die, jetzt, hier? Bestimmt eine halbe Stunde versuchen wir die Vögel zu verfolgen, die ständig von Spaziergängern und deren Hunden aufgeschreckt werden. Nach vielen Fotonachweisen verschieben wir die Frage auf einen anderen Tag, das Thema scheint zu brisant. Im Nachgang werden wir nach einigem Austausch mit Dritten bei thunbergi bleiben. (Ich habe diese Diskussion für mich selbst als eher religiös denn wissenschaftlich abgeschrieben.)


Schafstelzen, vermutlich Motacilla flava thunbergi. Foto: J. Baudson

Gegen 17.30 Uhr stehen wir bei 127. Der südliche Teamteil hat vor Unwetter kapitulieren müssen und wir suchen noch immer verzweifelt nach einem Storch, einer Dohle oder einem Brachvogel. An der Schwentinemündung stoßen wir zum Glück auf einen Gänsesäger, der dort als einziger Vogel im ganzen Hafen brav auf uns zu warten schien. Auf dem Weg in die Stadt stehen wir auf dem Knooper Weg an einer roten Ampel, als ich auf dem Rathausdach einen Wanderfalken entdecke – die Rotphase reicht, damit Jonas am Steuer auch noch mal schnell durchs Glas blicken kann. Nach einem Abstecher für die „besonderen Gänse“ in den Schrevenpark geht es zu meiner Wohnung, wo mein Mann Patrick physischen und psychischen Support in Form von Lasagne für uns bereithält. Nun, gegen 19 Uhr, hält der Regen auch in Kiel Einzug. Nach dem Essen begeben wir uns zur Uni, wo wir auf eine Schwarzkopfmöwe hoffen. Durch den Regen wird es leider sehr früh dunkel und die Chance, die Möwe überhaupt zu erkennen, schwindet. Wir einigen uns kurz nach 21 Uhr auf den Abschluss unserer Birdrace-Tour.

Das Birdrace 2021 war wieder ein großartiger (und sehr anstrengender) Tag und ein persönlicher Rekord: Noch nie habe ich 129, nach DDA-Regeln sogar 130 Vogelarten an einem einzigen Tag – innerhalb von 16 Stunden – beobachtet. Unbezahlbar ist der Anblick und die Geräuschkulisse morgens um 6 Uhr in einer Feuchtwiese bei Sonnenaufgang – selbst, wenn man schon weiß, wie am Abend Füße und Schultern schmerzen werden. Ob ich meinen Rekord nächstes Jahr überbieten kann?

Die Ergebnisse und weitere Informationen zum Birdrace gibt es auf der offiziellen Website: birdrace.dda-web.de


Siesta in Schönberg mit Zwergseeschwalben. Foto: J. Baudson

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