transparentes Logo
Mai
10

Eigentlich hätte es dieses Jahr wieder ein normales Team-Birdrace bei den „Kieler Sprossigallen“ werden können – eigentlich. Denn zum einen war unser Team wieder weit im Norden von Deutschland verteilt: Jonas Baudson banden auf der Greifswalder Oie seine Pflichten als Beringer, Josefine Bethke und Wiebke Rusch waren in der Wesermarsch unterwegs und ich im Kreis Kiel. Zum anderen hatte ich vor dem Birdrace leider eine Corona-Infektion und wusste bis wenige Tage vor Start nicht, ob ich überhaupt das Haus verlassen durfte. Das war zum Glück möglich, aber meine körperliche Konstitution dennoch eher mäßig, sodass es für mich ein „Birdrace Light“ werden musste.

Nun aber zum 7. Mai: Um 5 Uhr klingelt der Wecker. Noch vom Bett aus werden die ersten neun Arten erlauscht (Lach-, Sturm- und Heringsmöwe, Amsel, Zaunkönig und übliche Verdächtige), beim Frühstück neun weitere häufige Gartenvögel. Um 4:49 Uhr erste Meldung von der Oie: Regenbrachvogel!

Mit dem Rad geht es in die Kleingartenanlage und dann in das anliegende Projensdorfer Gehölz. Es ist noch nicht mal sechs Uhr und der Himmel bedeckt – das scheint den Singvögeln nicht so zu gefallen. Von den vier oder fünf Gartenrotschwanz-Revieren ist nichts zu hören. Erst kurz vor Abfahrt erbarmt sich ein Männchen zu einer eher bemitleidenswerten Strophe – für die Liste reichts.


Frühling im Projensdorfer Gehölz

Im Wald kann ich ein Buntspechtpaar bei der Fütterung der Jungvögel beobachten. Eigentlich kommen hier mindestens vier Spechtarten vor, aber einen anderen werde ich heute nicht finden können. An einer Lichtung höre ich einer Singdrossel zu, die verschiedene Vögel, auch Greife, imitiert. Plötzlich zweimal klar und laut das „kju-wiit!“ eines Waldkauzes – verdammt, war das die Drossel? Ich höre ihr noch fast zehn Minuten zu, aber keine Wiederholung: Scheinbar war er es höchstselbst! Der Brutplatz liegt in unmittelbarer Nähe, von daher nicht unwahrscheinlich.

Am Erlenkampsee, der malerisch im Projensdorfer Gehölz liegt, kann ich mit Stockente und Reiherente die ersten Enten verzeichnen. Kanadagans, Graureiher und Bläßhuhn schließen sich an.


Erlenkampsee mit Reiherenten-Paar

 


Erlenkampsee mit Totholz

Es geht weiter zum Sportzentrum der Universität. Auf den anliegenden Gebäuden gibt es mehrere Möwenkolonien, in denen auch ein bis zwei Paare der Schwarzkopfmöwe brüten. Bisher hatte ich meistens Pech mit ihnen: Während Jonas bei fast jedem Besuch eine „SKM“ hevorragend beobachten konnte, saß ich schon viele Stunden auf dem Gelände, ehe ich mich mit einem „gao!“-Ruf zufrieden geben musste oder einen kurzen Blick auf sie erhaschen konnte. Diesmal sollte ich natürlich auch keine sehen. Um 9 Uhr zurück nach Hause, zweites Frühstück – und eine Stunde Schlaf. Der Teamchat meldet derweil Fichtenkreuzschnabel, Bergstelze, Bruchwasserläufer und Heidelerche.

Um elf geht es mit dem Bus nach Strande. Der Tag ist so durchgeplant, dass ich zwischendurch immer wieder nach Hause komme, um mich auszuruhen, was leider größere Exkursionen (und damit z.B. Limikolen) ausschließt. Am Ostsee-Ufer nahe der Bushaltestelle kommen mit Mittelsäger, Kormoran und Küstenseeschwalbe endlich die ersten Seevögel. Mit dem Spektiv suche ich die Förde nach Meeresenten ab. Dabei ziehe ich über ein dunkles Objekt im Wasser, denke noch „das wird jawohl kein Wal sein, eher eine Boje“, schwenke zurück – und sehe Spektiv-füllend einen wunderbar blauen Walrücken samt Finne aus dem Wasser heraus- und wieder hineingleiten. EIN WAL! Nein, sogar noch mehr! Ein paarmal kann ich sie auftauchen sehen, dann verliere ich die Gruppe. Mehrere Motorboote, die von allen Seiten auftauchen, scheinen sie verschreckt zu haben. Aber sind das Tümmler oder Schweinswale? Erstere tauchen im Sommer mittlerweile recht häufig in der Förde auf.

Im weiteren Verlauf versuche ich eigentlich nur noch, die Säuger wiederzufinden. Netterweise gesellt sich ein Freund dazu, der auch ohne großes Orni-Know-How sehr interessiert ist, und wir laufen gemeinsam zum Leuchtturm. Dort erwartet uns ein ziehender junger Wanderfalke, Eiderenten – und die Walchen sind wieder da! Diesmal lassen sie sich als Schweinswale identifizieren und sind sogar zu dritt. Wie auch immer es heute weitergehen mag, dieses Erlebnis kann nicht mehr getoppt werden!


Strande, Blick nach Süden Richtung Olympiazentrum, unmittelbar vor der Schweinswal-Sichtung. Schöne Belegaufnahmen der Säuger sind leider nicht geglückt.

Auf dem Rückweg schauen wir noch am Seekamper See vorbei, wo unter anderem Rothalstaucher, Flussseeschwalben, ein Teichrohrsänger und ein Kuckuck die Liste bereichern. Auf dem Tacho stehen jetzt 78 Arten. Nach einer Verschnaufpause in Kiel soll es am späten Nachmittag per Rad im Stadtbereich weitergehen. Eine Freundin schließt sich auch noch an, sodass wir – mit Ferngläsern und Vogelführer bewaffnet, damit die Vögel nicht nur schwarze Punkte am Himmel bleiben – zu dritt ins Domänental im Südwesten von Kiel aufbrechen.

Auf dem Hinweg versuchen wir es noch mal an der Uni, aber auch in der nächsten Stunde bleibt die SKM lautlos und unsichtbar. Stattdessen erfreuen wir uns an Saatkrähe, Tannenmeise und ein paar amüsanten Möwenbeobachtungen.

Als wir im Domänental ankommen, bin ich überrascht von einem sehr natürlichen und schönen Feuchtgebiet, das hier mitten zwischen Stadt und Industrie liegt. In der Mitte des mit reicher Ufervegetation ausgestatteten Sees liegt eine kleine Insel, auf der sich eine Graureiher-Kolonie befindet. Erstaunlicherweise habe ich heute noch keinen Haubentaucher gesehen, selbst hier scheint es nur Rothalstaucher zu geben! Auf der Insel lässt sich noch kurz ein Eisvogel blicken.

Mittlerweile ist es 19 Uhr und meine Mitfahrer zieht es Richtung Abendessen. Eine weise Entscheidung, aber vorher will ich noch schnell im Schrevenpark die „interessanten Gänse“ einsammeln. Sogar hier gibt es heute keinen Haubentaucher, aber die erste Nilgans des Tages. Gern hätte ich noch einen Flussuferläufer gesehen, aber im Schrevenpark scheint heute die Ballermann-Technoparty des Jahres zu steigen und ich bekomme seltsame Blicke (die, wie ich glaube, weniger dem Fernglas geschuldet sind, sondern eher dem Umstand, dass ich nüchtern bin). Höchste Zeit, auch nach Hause zu fahren. Bis zur Dunkelheit lausche ich noch am Fenster nach Durchzüglern, aber außer Teichhühnern und Weißwangengänsen ist nichts mehr dabei.

Wegen meiner verhältnismäßig kleinen Tour kann ich mit 84 Arten an diesem Tag durchaus zufrieden sein. Die Kieler Sprossigallen als Team kommen sogar auf 151 Arten! Dennoch hoffe ich sehr, nächstes Jahr wieder mit meinen Teamkollegen den ganzen Tag gemeinsam unterwegs sein zu können – ob in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, gemeinsam macht es doch viel mehr Spaß, und jedes zusätzliche Augen- und Ohrenpaar ist hilfreich!

Die Ergebnisse und weitere Informationen zum Birdrace gibt es auf der offiziellen Website: birdrace.dda-web.de

Über mich