Birdrace 2023: Novemberwetter, aber Uhus
Das Birdrace am 6. Mai 2023 beginnt für mich um 4:30 Uhr: Beim Frühstück mit meiner Cousine Rosalie Pannek, die in diesem Jahr das (nach drei Jahren fast schon traditionelle) Team der Kieler Sprossigallen unterstützt. Dieses Jahr treten wir wieder als virtuelles Team an, um auch unsere Teamkollegin Josefine Bethke dabeihaben zu können, die an der Nordseeküste derzeit Datenerhebungen nachgehen muss – Jonas Baudson werden wir planmäßig in etwa einer Stunde treffen und dann den Tag mit ihm zusammen durch Kiel und angrenzende Gebiete fahren. Soweit zumindest der Plan.
Das traditionelle Frühstück bei offenem Fenster ist schon mal ein Reinfall: Eigentlich ertragreich, weil man schon die ersten Vögel im Innenhof hören kann, ist es dieses Mal still. Fünf Grad, stetiger Regen und eine hübsche Brise von 5bft können weder Birds noch Birder begeistern. Also ab in die Regenhosen, Handschuhe und Tee eingepackt – es geht los. Der Regionalverkehr ist da leider anderer Meinung, doch gegen 6 Uhr treffen wir endlich in Elmschenhagen ein – mit traurigen acht Arten auf der Liste.
Die Pohnsdorfer Stauung enttäuscht uns glücklicherweise nicht, auch wenn das Wetter immer noch sehr an November erinnert (der Regen hat zwischenzeitlich immerhin etwas nachgelassen). Vögel der Feuchtwiesen und des Röhrichts wie diverse Rohrsänger, Laubsänger, Blaukehlchen und weitere Singvögel zeigen sich und singen sogar, wogegen die Limikolen mit nur drei Arten (Bruchwasserläufer, Flussregenpfeifer, Flussuferläufer) sich eher rar machen. Zufällig taucht auch ein Mäusebussard auf – leider wird es unser einziger Greifvogel bleiben, den wir heute sehen.
Auch der Postsee erweist sich als stabiler Spot: Ufer-, Mehl- und Rauchschwalben, Mauersegler, Trauerseeschwalben und Zwergmöwen fangen über der Wasseroberfläche Insekten, wenn auch in kleinerer Anzahl als in den vergangenen Jahren. Eher unerwartet treffen wir hier auch auf Steinschmätzer, eine Hausgans, eine Mantelmöwe und einen Baumpieper.
In einem Waldstück nicht weit entfernt haben wir das Glück, einige Eulenhorste durch vorangegangene Kartierungen zu kennen und diese aus größerer Entfernung und entsprechend störungsfrei einsehen zu können. Der Anblick von einem Uhu direkt auf seinem Horst ist für mich da schon das Highlight des diesjährigen Birdrace. Nachdem wir schon eine halbe Minute beobachten, sehe ich plötzlich ein Augenpaar vor dem Baumstamm: Der fast flügge Ästling saß schon die ganze Zeit uns zugewandt neben dem Horst! Die perfekte Tarnung flog erst auf, als er seine Augen öffnete. Eine brütende Waldohreule und weitere Nadelwald-Arten runden den kleinen Exkurs ab.
Mittlerweile ist es Mittag. Weiter geht es nach Stein und zum Bottsand, wo wir endlich weitere Limikolen beobachten können. Besonders auffällig ist dort ein einzelner Grauschnäpper, der typisch „schnäppernd“ von seiner Sitzwarte aus Insekten fängt. Traurigerweise führen ihn diese Jagdflüge immer nur auf den Boden – wie wir bald sehen, hat die Kälte viele Insekten dahingerafft, die auf dem Spazierweg am Deich liegen.
Für das Mittagessen und dringend benötigte Aufwärmen geht es zurück nach Hause, wo mein Mann für uns schon hervorragende Verpflegung vorbereitet hat. Trotz des Wetters haben wir bis ca. 14 Uhr 115 Arten beobachten können. Rosalie entschließt sich, für heute auszusteigen, und auch wir denken darüber nach. Gegen 16 Uhr brechen Jonas und ich doch noch mal auf.
Mit einen Umweg über den Schrevenpark und das Projensdorfer Gehölz geht es an das Westufer der Förde. Kolkrabe, Mittelspecht, Schwanzmeise und einen Trauerschnäpper können wir noch auftreiben, danach wird es dünn. Auf den Bülker Wiesen stehen unerwartet einige Uferschnepfen. Tatsächlich gelingt uns um kurz vor 20 Uhr noch die Beobachtung von zwei Bachstelzen der Unterart yarelli bzw. Hybriden – aber das wars. Am Fuhlensee und Seekamper See sind keine neuen Arten dabei, und am Wellsee hören und sehen wir in der Dämmerung überhaupt keine Vögel mehr. Mit 125 Arten im Gepäck steige ich in den Bus zurück nach Kiel. Beim Zähneputzen kann ich gegen halb zwölf tatsächlich noch einen Waldkauz rufen hören – 126 Arten also zum Schluss. Josefine konnte an der Nordsee mit 96 Arten zwar weniger, aber noch andere Arten als wir abdecken, sodass unser Teamergebnis 148 Vogelarten umfasst.
Trotz der guten Artenzahl hat das Birdrace bei Sturm, Regen und Kälte leider weniger Spaß gemacht. Im nächsten Jahr werden die Sprossigallen voraussichtlich auf dem Darß antreten – man darf gespannt sein…
Weitere Informationen gibt es unter https://birdrace.dda-web.de/.
Alle Vogelfotos: Jonas Baudson; übrige: Verfasserin