Schon bei unserer Planung für das Birdrace 2024 im Team-Chat der „Kieler Sprossigallen“ wurde schnell klar, dass diesmal vieles ganz anders laufen würde als in den Vorjahren – aber zufälligerweise hervorragend zusammenpassen könnte. So war Jonas Baudson Anfang Mai in Greifswald zugegen, unsere neuen Teammitglied Marie Grote in Schwerin und Niko Voßkühler ebenfalls in Greifswald, und ich zufällig im Familienurlaub in der Jugendherberge Born-Ibenhorst auf dem Darß. Unser diesjähriger Birdrace-Landkreis hieß also Vorpommern-Rügen und unser neuer Teamname, entsprechend des Startpunktes und in nostalgischer Anlehnung ans alte Team: Kieler Borndarßmücken!
Wie bei jedem Birdrace, ausgerichtet vom DDA am jeweils ersten Samstag im Mai, sollte es darum gehen, im festen Team von 0-24 Uhr so viele Vogelarten im ausgewählten Landkreis zu beobachten wie möglich. Fast 950 Teams gingen dazu dieses Jahr deutschlandweit an den Start.
Nach diesmal eher kurzer taktischer Planung („Wir quetschen jetzt mal ornitho aus!“) traf Marie am Vorabend in der Jugendherberge ein. Bei heiteren Gesprächen mit dem Personal, warum wir beim Frühstück nicht zugegen sein würden und weshalb wir ab 4 Uhr morgens ein Leihfahrrad bräuchten, bekamen wir noch Beobachtungstipps zu Kranichen, Seeadlern und co, die sich als äußerst wertvoll erweisen sollten. Niemand von uns kannte das Gebiet und die Erwartungen für den 4. Mai blieben gedämpft bis hoffnungsvoll.
Am Samstag um 4 Uhr morgens geht es also los: Jonas und Niko treffen auf dem Parkplatz der Jugendherberge ein, unserem Ausgangspunkt für den heutigen Tag. Kurze Begrüßung – psst, balzt da eine Waldschnepfe? Wahnsinn! Sie wird gemeinsam mit Waldkauz, Amsel, Garten- und Hausrotschwanz sowie Rotkehlchen notiert. In der Dunkelheit radeln wir los zu unserem ersten Spot, dem Polder Werre.
Die Werre enttäuscht nicht: Seeadler und hunderte Weißwangengänse überfliegen uns in der nebligen Morgendämmerung, währen wir, begleitet vom Trompeten der Kraniche, noch diverse Enten-, Singvogel- und Limikolenarten notieren können. Um 6 Uhr morgens können wir bereits auf locker 50 Vogelarten auf der Liste schauen, darunter auch Schmankerl wie Regenbrachvogel, Drosselrohrsänger und Steppenmöwe. Entlang des Boddens im Schilf hören und sehen wir Blaukehlchen, Bartmeisen und weitere Rohrsängerarten.
Bei Born an der Badestelle gibt es um 7:30 Uhr die erste Frühstückspause. Unter Rauch- und Mehlschwalben können wir zwei Uferschwalben entdecken, weiterhin überfliegen uns beim Essen Flussseeschwalbe, Goldregenpfeifer und Rohrweihe. Kurzes Briefing: Fast 90 Arten, und nicht mal 8 Uhr! Letzte Zweifel, dass wir heute nicht die 100 knacken können, sind damit ausgeräumt. Welche häufigen Arten sind noch offen?, für diese Frage etabliert sich „Bekommen wir noch im Wald!“.
Über die Bliesenrade fahren wir weiter in Richtung Wieck, unterwegs die „Gartenvögel“ in den Siedlungen mitnehmend. Bisher war kein Kuckuck zu hören, aber freundlicherweise fliegt uns just einer über den Weg. Bei den Neuzugängen Erstaunen, dass dieser Vogel im Flug genau wie ein Falke aussieht, und ich erinnere mich ans Birdrace 2021, bei dem wir etwa 20 Kuckucke am Postsee sahen, ehe wir endlich mal einen Turmfalken fanden.
In den Wiesen zwischen Wieck und Prerow nutzen wir die Beobachtungshütte am See „Der See“, der uns mit dummen Wortspielen über seine ornithologische Armut hinwegtröstet. Kurz dahinter freuen wir uns sehr über eine singende Wachtel in den Wiesen sowie eine Blässgans und Saatkrähen.
In Prerow entdecken wir zu Jonas überschwänglicher Freude ein Teichhuhn, seine Beringungs-Projektart. Die allgemeine Heiterkeit über Jonas Reaktion wird aber schnell gedämpft durch Nikos fehlenden Vorderrad-Schnellspanner. Tatsächlich kann Jonas das fehlende Teil im Gras schnell wiederfinden („gut gespottet!“), das von einem der zahlreichen Fahrradmechaniker im Fahrrad-Hotspot Prerow umgehend wieder montiert wird. Auf den Schreck erstmal Einkehr im Café mit „Strandläufer“-Eisbecher, der nur Glück bringen kann
Weiter geht es zum Darßer Ort an der Nordspitze der Halbinsel. Gänsesäger, Grünschenkel und Brandseeschwalben erwarten uns an der offenen Ostsee sowie die erste Rabenkrähe, eine Seltenheit im „Nebelkrähenland“ MV. Es ist mittlerweile 15:30 Uhr, über 100 Arten geschafft: Zeit für eine kurze Siesta. Im Anschluss geht es durch den Wald mit Zwerg- und Grauschnäpper, Goldhähnchen und Baumläufern zurück zur Jugendherberge.
Das Herbergsgelände glänzt mit Schwanzmeisen, Gartengrasmücken und Erlenzeisigen, die wir den ganzen Tag nirgendwo anders sehen sollen. Tatsächlich konnte ich in den Vortagen hier schon über 55 Vogelarten beobachten, ohne überhaupt die Herberge zu verlassen. Nach kurzer Pause und Lagebesprechung beschließen wir, gegen 18 Uhr nach Ahrenshoop zu fahren.
Während die gestern noch rufenden Hohltauben sich in Schweigen hüllen, haben sich an der Küste die Vortags fünf beobachteten Prachttaucher fast vervierfacht. Der malerische Anblick des ringsum ziehenden Nebels wird für uns noch abgerundet durch eine Zwergseeschwalbe und einige weitere schöne Küstenarten. Am nächsten Strandaufgang beobachten wir, zwischenzeitlich mit Pizza ausgestattet, sogar Trauerente, Ohrentaucher – und Schweinswale!
Der Tagesabschluss führt uns entlang von wunderschönen Wiesen und Wäldern an unseren ersten Spot zurück, die Werre. Im Sonnenuntergang bietet der Polder einen ganz anderen Anblick als im Morgennebel. Etliche Schwäne brüten hier und Lachmöwen durchkämmen die Luft auf der Jagd nach Insekten. Unter ihnen entdecken wir sogar eine leuzistische, gänzlich weiße Lachmöwe – und unsere erste Zwergmöwe sowie Tafelenten.
In der Dunkelheit gegen 22 Uhr treffen wir wieder an der Herberge ein. 133 Vogelarten, 55 Radkilometer und ein wirklich wunderschöner Tag liegen hinter uns. Auch die weiteren Tierbeobachtungen mit Fuchs, Schwarzwild, Kreuzotter, Schweinswalen und Kreuzkröten können sich sehen lassen. Die Jugendherberge Born-Ibenhorst hat sich als hervorragender Ausgangspunkt erwiesen, einerseits durch den großen Artenreichtum schon auf dem Gelände und andererseits als sehr „orni-freundliche“ Herberge. Im Übrigen war der Kreis Vorpommern-Rügen auf dem zweiten Platz unter den Top-Kreisen mit insgesamt 204 an diesem Tag nachgewiesenen Arten!
Als Besonderheit kommt für mich in diesem Jahr dazu, dass ich die Birdrace-Urkunde als Künstlerin gestalten durfte. Als Motiv habe ich zwei Mittelspechte gewählt, die wir letztes Jahr in Kiel beobachten konnten und die mir – wenige Tage vor dem Birdrace – noch bei Revierstreitereien buchstäblich um die Ohren flogen.
Weitere Informationen zum Birdrace: birdrace.dda-web.de